· 

Der Verstand der Trickster

In Wahrheit ist Vernunft nicht so weit entfernt vom individuellen und gesellschaftlichen Aberglauben, wie wir gern hätten.

Da das was vernünftig ist, stark kulturell, zeitlich je Epoche und gesellschaftlicher Vorlieben geprägt ist. Selbst Begriffe von Moral, Erfahrung, Erkenntnis sind nicht frei messbar, sondern immer vom Beobachter, Erfasser beeinflusst. Vernunft ist ausgesprochen stark von der persönlichen Konditionierung die ein Mensch erfahren hat geprägt und daraufhin abhängig vom allgemeinen Erfahrungskonsens des Umfeldes.

 

ERFAHRUNG ergibt sich aus dem individuellen Maß an Erkenntnis- und Lernfähigkeit und persönlicher emotionaler Bedeutung einer durchlebten Situation.

 

Erfahrungen als die Grundlage der Rationalität, daher als Voraussetzung von Erkenntnis und Vernunft ist ebenso eine Grundlage von Emotion bzw. emotionalen Ausdrucks und daher genauso tatsächlich wie subjektiv.

 

Was finden wir vernünftig?

 

Es geht darum, welches individuelle, persönliche oder gesellschaftliche System funktioniert,  eine Erfahrung angemessen oder gewinnbringend zu interpretieren und demzufolge umzusetzen in eine erfolgreiche Strategie – welche in ihrem durchaus subjektiven Wert – allgemein anerkannt wird – das ist dann vernünftig.

Doch könnte in einem anderen Kontext von Gesellschaft, Epoche oder Sujet die gleiche Ansicht, als kompletter Irrsinn, Dummheit oder Aberglaube und ähnliches abgetan werden.

 

Fühle oder denke ich?

 

Unser Gehirn hat ganz bestimmte Fähigkeiten der Wahrnehmung, sowie Ereignisse zu verarbeiten und zu interpretieren.  Es lässt sich von Gefühlen beeindrucken:

"Die Schlüsselrolle bei alledem kommt der Amygdala zu. Sie nimmt die erste Bewertung vor, bezieht später die zweite mit ein und initiiert jeweils körperliche Prozesse.

Eine Emotion wird im Gehirn ausgelöst, basierend auf biochemischen Vorgängen, die sogar stofflich beeinflussbar sind und in der Regel erfolgt die Reaktion auf einen emotionalen Auslöser schneller als meine rationale Analyse.

 

Anders ausgedrückt kann ich mir nicht sicher sein, dass meine rationale Entscheidung nicht bereits emotional eingefärbt ist. Während meine Emotionen ein ebenso unangemessener Ausdruck auf eine reale Situation sein können.

 

Der Verstand empfiehlt Dir die Wahl der Mittel

 

Der Verstand bastelt Dir in einem bestimmten, eingeschränkten Kontext ein durchaus stabiles und leistungsfähiges Gerüst zum Überleben oder um bestimmte Dinge umzusetzen und  verständlich zu machen, es sich selbst zu erklären. Er möchte Dir helfen lebensfähig zu sein, er filtert, sondiert aus -  funktioniert es oder nicht, wie gut oder schlecht. Das kann für mich als Mensch oder Spezies existenziell überlebenswichtig sein – aber die Funktionsfähigkeit meines Gehirns hat Grenzen.

 

Da ist auch der Haken, wenn meine „Erkenntnisse“, der Wert meines Lernergebnisses von einer willkürlich gestalteten Umwelt abhängig ist, wie der lebensnotwendige Erhalt von Liebe und die Umsorgung für das Kind, der existenziellen Grundlagen wie Essen, Kleidung und Wohnen – dann kann er auch eine Krücke sein, die mir selbst ein Bein stellt.

 

Eine unserer größten Fähigkeiten ist es sich anzupassen an unsere Umwelt.

In dieser Anpassung haust der Teufel.

 

Es ist fatal, wenn der Verstand nämlich kombiniert mit meinen Emotionen während seiner Verarbeitung der Erfahrung, mich in einer unangemessenen Reaktion auf Grund seiner Interpretation - wie einer Trauma Erfahrung - in einem zwanghaften nicht mehr effizienten Verhaltensmuster festhält.

 

Zudem ist es offensichtlich fragwürdig einem Verstand zu folgen, der auf einen gesellschaftlichen Kontext ausgerichtet ist, der zuhauf lebensfeindliche und destruktive Verhaltensmuster und  Lebensumstände anpreist, sogar verlangt.

 

Das ist eigentlich Wahnsinn.

 

Eine vernünftige Entscheidung, die gesellschaftlich positiv bewertet wird – daher allgemein anerkannt als vernünftig bezeichnet – muss keinesfalls tatsächlich positiv sein. Sie muss vor allem für Dich individuell nicht positiv sein.

 

So wie der alte Hut aus dem Philosophie Grundkurs – dass eine durch und durch logische Behauptung – keinesfalls  wahr sein muss – aber sehr wohl so empfunden wird.

 

Der Mensch ist tatsächlich nicht frei im Denken nur weil es nicht materiell gebunden scheint – aber in seiner Wechselwirkung sehr wohl ist. Hier entsteht existenzielle und jede andere Form von ANGST.

Dich bestrafft das LEBEN natürlich nicht, sondern die gesellschaftliche Meinung bzw. das existenzielle Konstrukt der unmittelbaren Wirklichkeit, die in einer bestimmten Art und Weise gestaltet und reguliert ist – z.B. staatlich oder allein durch die Umwelteinwirkungen wie Natur, städtischen Raum, sowie durch den allgemeinen intellektuellen, moralischen und emotionalen Konsens, der durch die für das Individuum maßgeblich wichtigen kollektiven Gruppen,  insbesondere der Familie vermittelt wird.

 

Der kühne Held – der Rebell

 

Es erfordert Mut das ANDERSDENKEN. Du kannst die üblichen Denkmuster durchbrechen, infrage stellen, neue Verhaltensweisen einfordern, überraschende Erkenntnisse formulieren und versuchen sie nach außen zu bringen und zu etablieren. Das ist ein Akt der Überzeugung, des Lehrens oder Bestimmens  und wird häufig mit Ausgrenzung, Unterdrückung bis hin zur Bestrafung und sogar  Auslöschung des Individuums durch die Gesellschaft beantwortet. Dennoch können neue Denkmuster, Erkenntnisse, Ideen –  neue Wertvorstellungen sich unter den entsprechend günstigen und vielleicht auch zwingenden Umständen etablieren.

 

Verstand kommt auch von Verständnis

 

Vernünftig, rational sein bedeutet also im besten Falle sich zu bemühen, die wahre Natur einer Sache oder seiner selbst zu erfassen. Das Paradoxon ist hierbei, dass ich werten muss, um etwas unvoreingenommen und so pur wie möglich zu erfassen und daher absolut wertfrei sein müsste. Eine Einordnung ist immer eine Bewertung.

 

Und deswegen noch einmal der Hinweis, dass der Verstand oder das Ratio nur eingeschränkt hilfreich ist.  Da er keine unabhängige Instanz ist, sondern durch und durch abhängig von Prägung, Erfahrung, Emotion, gesellschaftlichen Kontext, Bildung und vielem mehr, bildet er ein verzerrtes Bild der Wirklichkeit, wenn auch durchaus bemüht um Objektivität.

 

Der Verstand der Helfer

 

Er ist ein Helfer, wenn ich mathematische Aufgaben löse, wenn ich eine Brücke konstruieren will. Und dafür danke ich ihm und hege und pflege ihn.

 

Er ist mein sanfter Ratgeber, der mich nicht dominiert. Mein Begleiterm, der mich  dabei unterstützt meinem persönlichen Pfad zu folgen in der für mich geeigneten Art und Weise.

 

Er ist nicht der Bestimmer über mein Leben – das kann nur das LEBEN selbst sein.

 

Das Leben folgt seiner eigenen Bestimmung unabhängig von meinen rationalen Einwürfen und es folgt schon gar nicht gesamtgesellschaftlichen Konstrukten und Regeln.

 

zonfeld

 





Illustration zonfeld "Taubenhirn"





Alle Grafiken und Bilder zonfeld library -Illustration Judith Werner / digitale Grafik unter Verwendung mit Adobe Firefly


Kommentar schreiben

Kommentare: 0